GROSSER UMZUG 2020

UMZUG 2020

Was für ein Jahr dieses 2020. Nicht bloss Corona-Technisch gibt es viele Herausforderungen zu bestehen, auch das Buchparadies musste einmal mehr grosse Veränderungen bewältigen.
Anfang Jahr habe ich mich schweren Herzens dazu entschieden, das grosse, gerade mal zwei Jahre zuvor eröffnete Underground wieder zu schliessen. Besorgniseregend war insbesondere der Abgang meiner beiden Mitarbeiter im Sommer. Der Verlust eines wichtigen Versandvertrages fürs Ausland der Schweizer Post hat dann den definitiven Enscheid gebracht.
Der Umzug in das massiv kleiner Lokal wurde in drei Etappen gegliedert:

Ende Juni wurden meine beiden kleinen Aussenlager eingerichtet. Dazu hatte ich in den Monaten zuvor, jedes meiner Bücher (etwa 30 000 Stück) in die Hand genommen und entschieden, welches den Neuanfang miterleben darf und wohin es kommt. (Lager 1, 2 oder Laden) Farbige Punkte im Rücken erleichterten es den Helfern, die entsprechenden Stücke in die richtigen Lager zu transportieren.  

Am ersten Juli-Wochenende, bei strahlendem Wetter, haben wir zu sechst den kleinen Laden einmal komplett aus- und wieder eingeräumt...
Dort waren bis zu diesem Zeitpunkt rund 7000 Romane in 10 Sprachen untergebracht. Behalten durfte ich etwa einen Drittel.
Vieler meiner Romane kamen glücklicherweise in ein neues Dihei, zu Andreas dem Bücherretter nach Ebnat-Kappel. 

Die erste Runde in seinem Anhänger waren die Bücher die wir beide nicht behalten wollten.
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Zweite Runde: Die Kartons mit den geretteten Bücher als Stütze, dann wieder Abfall...
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Dritte Runde: in den Anhänger passt GAR NICHTS mehr rein. Und unsere Kraft war an diesem Abend sicher genauso ausgeschöpft wie die Platzkapazität im Auto.

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In all den Monaten seid dem Lockdown haben wir alles was nicht niet- und nagelfest war unter die Leute gebracht. Gestartet hatten wir im Mai mit Rabatt von 20%, dann jeden weiteren Monat 10% höher. Im August kosteten alle bis dahin noch vorhandenen Bücher gerade noch 5.- Auch von antiken Werken musste ich mich trennen. Die gingen weg wie warme Semmeln. Doch nicht nur diese. Der Abverkauf war wirklich ein grosser Erfolg. Und weil das Interesse so gross war, habe ich den Abverkauf spontan noch um eine Woche verlängert. Eine Dame ist sogar über Nacht unten geblieben und kam dann mit dem Taxi ihre Schätze abholen. Auch meine komplette Kunst-Sammlung fand in der Bibliothek der Kunstschule Winterthur ein neues Zuhause.

Der letzte und drastischste Umzugsschritt ging dann Mitte Septmber mit grosser Unterstützung von Christina über die Bühne. Nach über vier Monaten Ausverkauf, mussten alle noch vorhandenen Bücher für die Entsorgung geräumt werden. Dafür kam mir Maag mit Metallgebinden, sowie Bring- und Abholservice zu Hilfe. Zwei Lastwagen und Genau 8 Tonnen Bücher später waren die Räumlichkeiten leer... 
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Wehmütig stand der allerletzte reservierte Posten vor meinem geliebten Graffiti meines Paradieses...

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Seit über 20 Jahren...

Seit über 20 Jahren eine kulturelle und soziale Institution

Seit über 20 Jahren prägt das Moderne Antiquariat Buchparadies Ruoss das Bild der Winterthurer Altstadt mit. Zu Beginn in der Steinberggasse und seit 2008 an der Inneren Tösstalstrasse 12.
2016 kam ein zweites Lokal hinzu. Mit wachsender Grösse waren immer mehr soziale Arbeits-Einsätze möglich. Abgesehen von Lehren, Schnupper-Lehren und Praktika, bot das Buchparadies auch diverse Integrations- und Arbeitsversuche an.
Mit Stolz lässt sich sagen, dass bereits sechs PraktikantInnen später einen Ausbildungsplatz als Buchhändler gefunden haben. Und das Buchparadies ist das einzige Antiquariat in der Schweiz, das eine Buchhändler-Lehrstelle anbietet: Diesen Sommer wird die zweite Lehrtochter ihre Ausbildung abschliessen!
Doch jetzt trifft es auch das Buchparadies Winterthur – die beiden Lokale generieren zu wenig Umsatz. Obwohl nachhaltiges Einkaufen im Trend ist, reicht es nicht für die Fixkosten. Es wird zu massiven Kürzungen in der Buchvielfalt und sogar zu Kündigungen kommen.
Im Moment umfasst das Sortiment der beiden Lokale etwa 40 000 Buchtitel zu allen Themen. Auf über 300 Quadratmetern präsentiert das Team – Lehrtochter, Praktikant, Teilzeitmitarbeiterin und Chefin – das wunderbare Buchsortiment. Im Sommer 2020 werden jedoch die Lehrtochter, sowie der Praktikant neue Arbeitswege gehen und das Buchparadies verlassen. Die Chefin wird die anfallende Arbeit nicht alleine bewältigen können und muss daher das Angebot wieder auf ein Lokal reduzieren und so weiter ums Überleben kämpfen. Darum gibt es ab sofort JEDEN SAMSTAG einen grossen Abverkauf an der Obergasse 20. Was besonders spannend ist - ich werde auch die Räume mit den Neueingängen öffnen. (Bücher die ich bekommen, aber noch nicht bearbeitet habe) Taschebücher kosten 5.-, Festeinbände 10.- 

Um den Laden an der Tösstalstrasse 12 zu erhalten, braucht es jetzt deine Unterstützung!
-Werde jetzt Mitglied beim Verein Pro-Buchparadies

Porträt Christina

Christina

 

Christina

(Mitarbeiterin im Buchparadies)

Ich lernte Rahel kennen, als sie etwa 15 Jahre alt war. Ihre Mutter, die ich von meiner Arbeit her kenne, bat mich, ihrer Tochter Französisch-Nachhilfe zu geben. Meist kam Rahel also einmal pro Woche zu mir nach Hause, um die, ihr verhasste, Sprache besser zu lernen. Wie bei fast allen Teenagern, liegen die schlechten Französisch-Noten nicht an fehlender Intelligenz des Schülers, sondern an seinem Desinteresse, diese Sprache zu lernen.

Um Rahels Interesse fürs Französich heraus zu kitzeln, übersetzten wir Liedtexte von Jean-Jacques Goldmann und Céline Dion, als deren „French-Album“ herauskam. Natürlich paukten wir nebenbei auch im Schulbuch die anfallende Grammatik und Voci, damit der Schulstoff besser sass. Mit dem Hören und Mitsingen können der  beiden CD’s stellte sich die Freude an der Sprache recht bald ein und Rahel schrieb bessere Noten im Franz. Als Krönung unserer Bemühungen besuchten wir zusammen Céline Dions Konzert im Hallenstadion. Erst viel später erfuhr ich, welch grosses Highlight dies in Rahel’s Teenie-Leben war.

Mit den besseren Noten für die Schülerin und der neugegründeten Familie für mich, gingen unsere Leben getrennte Wege und ich verlor Rahel aus den Augen.

Zu Beginn der Buchparadies-Zeit war ich nur sehr sporadisch Kundin. Wieder war es Rahel’s Mutter, die mich auf das 3-jährige Jubiläum aufmerksam machte. Da ging ich natürlich gerne zum Anstossen vorbei!

Während des Apéro‘s erzählte die Buchparadies-Chefin ganz traurig, dass eine ihrer Mitarbeiterinnen den Laden verlassen werde und wie schwierig es sei, eine Nachfolgerin für genau diese Arbeit zu finden. Da ich nun mehr Zeit hatte – meine beiden Kinder waren morgens beide in der Schule - bot ich mich spontan dafür an. Denn: wer möchte nicht gerne inmitten von Tausenden von Büchern arbeiten wollen?!

Einige Tage später führte mich Rahel in meine neue Arbeit ein. Seit damals arbeite ich immer wieder - mal mehr, mal weniger - im Laden mit.

Aber was genau mache ich im Buchparadies?

Ich bin die Mitarbeiterin, die die Kundschaft meist gar nicht kennenlernt, denn ich arbeite vorwiegend dann, wenn der Laden (noch) geschlossen ist. So werde ich weniger abgelenkt und blockiere keinen Computer, der sonst für die Buch-Suche der Kunden benötigt wird.

Ich verarbeite die Buch-Neuzugänge im Computer, sodass sie im Internet, also in der ganzen Welt, angeboten werden.

Das heisst, ich suche das Buch in einem Spezial-Programm heraus, kontrolliere alle Angaben (Seitenzahl, Erscheinungsjahr, Auflage, Verlag, Autor, Versandgewicht und Vieles mehr) und gebe den Verkaufs-Preis ein, den die Chefin bestimmt hat. Das Wichtigste jedoch ist der genaue Beschrieb des Zustandes des Buches, weil es ja gebraucht ist. Der Käufer muss genau wissen, ob das Buch, das er im Internet bestellen will, Leuchtmarker-Anstriche hat. Wenn er ein Sachbuch selber durcharbeiten will, stören ihn diese vielleicht. Eine andere Käuferin möchte ein bestimmtes Buch verschenken. Da macht es sich nicht gut, wenn jemand seinen Adressstempel auf die Titelseite gedruckt hat. Stockflecken und gebräunte Seiten sind bei einem vergriffenen Buch hingegen völlig OK für den dritten Besteller, weil er genau dieses Buch unbedingt haben muss.

Sie sehen; da muss ich das Buch akribisch genau anschauen und beschreiben, damit die End-Kundin zufrieden ist und Rahel keine Reklamationen bekommt. Zu Beginn war die Chefin deshalb sehr pingelig, was meine Arbeit anbetraf. Jedes vergessene Komma, Doppel- S etc. wurde tadelnd erwähnt. Heute geht Rahel zumindest mit den Kommas viel entspannter um… ; ).

Seit ich im Laden mitarbeite, haben Rahel und ich ganz langsam eine tiefe Freundschaft aufgebaut.

Wir unternehmen viel gemeinsam. Ich versuche Rahel, nach einem langen Arbeitstag im Laden, etwas an die frische Luft zu bringen. Wir reden viel, schauen Filme, machen Ausflüge. Diesen Sommer werden wir zusammen im Wallis einige Tage Ferien verbringen. Ich freue mich schon riesig! Mal schauen, ob wir uns nicht schon nach 2 Tagen auf den Keks gehen… ; ).

Sie dürfen gerne nachfragen, wie es denn nun gelaufen ist...!

Entstehungsgeschichte

WIE ALLES BEGANN

(Das ist das Kapitel "Luftschloss" aus meinem Buch "Das Paradies der Bücher"

Ein sonniger Tag im Herbst 2008. Ich schlendere mit meinem Partner durch die Strassen von Winterthur. Trotz frischem Liebesglück und freundlichem Wetter ist die Stimmung getrübt. Mein letztes Arbeitsverhältnis war ein überraschendes Ende mit Schrecken und die Vorstellung mich an einem neuen Ort wieder anstellen zu lassen, kaum etwas zu verdienen da meine Grundausbildung obsolet ist, gefiel mir gar nicht. Ich war wütend.

Wir kommen in der inneren Tösstalstrasse vorbei und ein Anschlag im Buchladenschaufenster fällt uns ins Auge: "Zu verkaufen - Nachfolger gesucht" -Wir sehen uns an, lachen - und vergessen den Aushang wieder.
Doch nicht für lange. Immerwieder spricht mich Patrick darauf an, drängt mich das Gespräch mit der Ladenbesitzerin zu suchen. Aber ich hatte doch keine Ahnung! Wusste nicht wie teuer soetwas ist. Auch egal, finanziellen Rücklagen hatte ich ohnehin keine.
Irgendwann gehe ich doch. Frage schüchtern nach dem Angebot und wie das ablaufen würde. Ich müsste der Ladenbesitzerin den Restposten der Bücher, die Infrastruktur, Firmennamen, Mobiliar usw. abkaufen, das Lokal wäre zur Miete. Ich solle mich beeilen ist ihr Rat, der Hausbesitzer wolle das Haus verkaufen. Sie nennt mir einen Preis. -Gar nicht sooo viel... :)

Das Wochenende steht an und mein Freund und ich beginnen ein Luftschloss zu bauen. Was wir alles tun könnten mit einem eigenen Lokal. Patrick ist gerade dabei, sich als selbständiger Grafiker zu etablieren, -für ein Arbeitsplatz wäre also schon gesorgt. Wichtiger Punkt: Endlich, endlich könnte ich wieder einen Hund halten! Und wir könnten das.. und es wäre so.., und, und, und. Die Gedanken schlagen Purzelbäume. Je mehr wir darüber nachdenken, desto realistischer wird die Idee. Ich hatte einige Jahren zuvor einen Kurs zur Selbständigkeit besucht, spielte schon früher mit dieser Idee. In den letzten Jahren war ich als Geschäftsführerin in zwei verschiedenen Buchhandlungen tätig, hatte also erste Erfahrungen mit Organisatorischem und Personalführung. Die Buchhaltung würde sich sicher auch irgendwie bewältigen lassen.

Am Monatg also tief durchgeatmet, Mut gefasst und dem Hausbesitzer angerufen. Eine freundliche Männerstimme meldet sich "Nein, das sei schade, er habe soeben den Vertrag für den Hausverkauf aufgesetzt"... Unser Luftschloss zerfällt in tausend Wasserblasen! -Aus! Alles umsonst! Wieder ganz unten beginnen! Ich breche in Tränen aus!
Unter Schluchzen kann ich ihm noch mitteilen, er solle sich doch wieder melden wenn sich irgendetwas eröffnen sollte. "Könne er, sei aber unwahrscheinlich" versichert er mir.
Das war am Montag. Am Donnerstag ruft er wieder an. Als ich seine Stimme am Telefon erkenne, zittern meine Knien so stark, dass ich mich hinsetzten muss. Er verstehe nicht ganz weshalb, aber der Verkauf sei gescheitert. Ob ich das Lokal immer noch haben wolle...Aus lauter Euphorie fahre ich am Freitag zu ihm und unterschreibe eine zweijährigen Mietvertrag!

Porträt Rahel-Medea

Für mich ist es ähnlich wie in einem meiner liebsten Büchern "Das geheime Leben der Bücher " von Régis de Sá Moreira: Jeder Tag ist ein Abenteuer, eine Schatzsuche, eine Entdeckungsreise. Jeder Kunde und jedes Buch einzigartig und auf seine ganz eigene Weise schön. Das selbe gilt für meine Mitstreiter. Jeder von Ihnen ein Unikat, mit Vorzügen und kleinen Macken. So vielfältig wie unsere Erde, alles Leben und die unaussprechliche vielzahl unserer Bücher.

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